8. SONNTAG im Jahreskreis
Evangelium nach Lukas (6, 39-45)
Wie sollen wir als Christen miteinander umgehen? Es gibt Verhaltensweisen, mit denen wir eine Beziehung oder eine christliche Glaubensgemeinschaft, eine Pfarrgemeinde, stören oder sogar zerstören können. In einer von ihm bekannten starken Bildsprache gibt Jesus ein Beispiel: Den Splitter aus dem Auge des anderen ziehen wollen. Dem anderen die Augen öffnen wollen für sein falsches Verhalten, seine Fehler, die er anscheinend nicht selbst bemerkt, seine Unzulänglichkeiten korrigieren wollen.
Natürlich gibt es Situationen, wo wir uns gegenseitig auf unsere Fehler hinweisen müssen. Kritik an Missständen in Kirche und Pfarrgemeinde ist berechtigt und notwendig. Jesus fordert uns nicht auf, die Fehler der anderen zu verharmlosen oder zu beschönigen. Böses und Falsches soll mit Namen genannt werden. Wer alles entschuldigt, tut anderen damit keinen Dienst. Es bleibt unsere Aufgabe, andere brüderlich-schwesterlich auf Fehlhaltungen und Fehlverhalten hinzuweisen. Aber es ist ganz wichtig, wie wir das machen.
Oft wird voreilig geurteilt, ohne die Lage und die Beweggründe des anderen genügend überprüft zu haben. In einem alten Indianergebet heißt es: „Großer Geist, gib, dass ich meinen Nachbarn nicht eher tadle, als bis ich eine Meile in seinen Mokassins gewandert bin“, d.h. mich in seine Lebenssituation versetzt habe. Manche haben eine Freude daran, immer nur die Fehler und Schwächen, also das Negative im Leben anderer weiterzuerzählen.
Zu ihnen sagt Jesus: Schau mal zuerst auf dich selbst. Deine Schwächen und Fehler sind oft viel größer, aber das willst du nicht wahrhaben, dafür bist du blind. „Den Balken im eigenen Auge“ siehst du nicht. Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Was willst du andere belehren und ihnen den richtigen Weg zeigen?
Warum neigen wir dazu? Wahrscheinlich deshalb, weil wir nicht bereit sind, auch unsere eigenen Schwächen anzuschauen, und uns deswegen den anderen gegenüber moralisch überlegen zu fühlen. Wenn wir dann andere zurechtweisen wollen, kommt jeder Hinweis auf ihren Fehler von oben herab, vom hohen Ross - und der Getadelte fühlt sich gekränkt und erniedrigt. Damit verletzen wir sein Selbstwertgefühl, statt ihn für eine Änderung seines Verhaltens zu gewinnen. Die Folge ist, dass die ganze Kritik nichts bringt. Nur Streit.
Wir sollen keine Pauschalurteile über eine Person fällen, sondern seine einzelnen, konkret störenden Verhaltensweisen besprechen. Sagen wir nicht: „Du bist ein/eine...“, oder „du bist immer so“. Sagen wir stattdessen: „Ich habe ein Problem damit, wenn du...“, „mich stört, wenn du.... Das kann man sachlich und konkret tun. Der andere soll es als Vorschlag, oder guten Rat und nicht als Vorwurf empfinden. Jesus lädt ein, sich mit dem Urteil über einen anderen Menschen Zeit zu lassen, nicht nur Emotionen, sondern auch die Vernunft und vor allem das Herz sprechen zu lassen.
Handele also nicht mit einem Gefühl der Überlegenheit und ohne dir deiner eigenen Schwächen bewusst zu sein. Jesus sagt: „Erst, wenn du den Balken aus deinem eigenen Auge gezogen hast...“, d.h. dich selbst nicht mehr für unfehlbar hältst und dich nicht mehr über andere erhebst, weil du auch deine eigenen Schwächen und Fehler kennst, „dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders, deiner Schwester herauszuziehen“, ihre Fehler, die vielleicht viel kleiner als deine sind, auszubessern. Nur wer seine eigenen Fehler erkannt hat und sich korrigiert, hat das Recht der Zurechtweisung des Bruders. Selbstkritik führt dazu, mit Kritik am Bruder und mit Verurteilung vorsichtig zu sein. Nur wer fähig ist eigene Fehler und Schuld einzugestehen, kann in aller Bescheidenheit auch andere verständnisvoll und in Liebe auf ihre Fehler aufmerksam machen.
Und Jesus fügt noch hinzu: Es kommt immer darauf an, ob wir aus der Güte unseres Herzens handeln, denn: „Ein guter Mensch bringt Gutes hervor, weil in seinem Herzen Gutes ist...“ Wo unser Herz überwiegend gefüllt ist mit Liebe, wie bei Jesus, werden bei aller Unvollkommenheit in uns Früchte heranreifen, die den Namen tragen: Frieden, Freude, Güte, Wohlwollen, Freundlichkeit, Treue, Sanftmut, Ehrlichkeit. Jede Kritik und Zurechtweisung anderer ist nur ehrlich und glaubwürdig, wenn wir bei uns selbst anfangen.